European Interests - newsletter provided by European Social, Organisational and Science Consultancy (ESOSC), Aghabullogue, Ireland. ISSN 1649-1955.
Issue 1-2002
Dass
das nationale Recht immer mehr vom internationalen Recht, und insbesondre vom
Recht der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union überlagert
wird, ist bekannt. Die Verspätung, mit der diese Erkenntnis auch in den Bereich
des Sozialrechts eindringt, ist vor allem wohl zwei Umständen geschuldet.
Erstens
ist das Europäische Sozialrecht selbst äußerst undurchsichtig. Die relevanten
Regelungen sind zumeist nicht originär sozialrechtlich begründet, sondern
gebunden an andere primäre Regelungsinteressen – es schlägt sich hier eben
die Dominanz des Binnenmarktkonzepts wieder: Sozialer Schutz ist Europäisch
nicht sozial-, sondern marktrechtlich hinterlegt.
Zweitens,
nicht zuletzt durch diese Unklarheit begründet, zugleich aber durch die
konzeptionelle Beschränkung, wie sie sich aus dem Subsidiaritätsgrundsatz
ergibt, besteht auch eine Neigung, das Europäische Recht einfach „zu übersehen“,
den zunächst einfachen Weg des nationalen Rechts zu begehen. Dahinter steckt
auch eine Begrenzung in der Wahrnehmung in dem Sinn, dass Europäisches Recht
nur für jene Fälle als relevant angesehen wird, in denen Grenzüberschreitung,
d.h. Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat, eine Rolle spielt.
Eichenhofer
bringt in hilfreicher Weise die drei Bereiche zusammen, die eine entsprechende Würdigung
des Europäischen Rechts ermöglichen.
In
einem ersten Teil wird deutlich gemacht, dass dieses Recht Teil letztlich nur
begreifbar ist als Teil dessen, was gemeinhin mittlerweile als Mehrebenen-Modell
bezeichnet wird. Es ist dies im vorliegenden Fall
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das Ineinandergreifen von nationalem und Europäischem Recht, auch die Feststellung des übergeordneten Europäischen Rechtes, |
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das (teils noch fehlende) Ineinandergreifen der verschiedenen Rechtsebenen und ~bereiche, insbesondere im Europäischen Recht selbst (Primär- und Sekundärrecht …) und schließlich |
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das Handeln mit den politischen Schwerpunkten und Orientierungen – denn schließlich sind immer diese Unterschiede auch zu berücksichtigen, wie sie sich z.B. durch die unterschiedliche Regelungsarten, etwa Direktiven oder Richtlinien. |
All
dies zu wissen und zu berücksichtigen ist wichtig, um das Recht in seinen
Einzelbestimmungen dann überhaupt erst richtig anwenden zu können. Von
entscheidender Bedeutung für die im weiteren folgende Darstellung eben dieser
Einzelbestimmungen ist die Untergliederung in
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das koordinierende Sozialrecht der EU, welches im zweiten Teil dargestellt wird und |
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das harmonisierende Sozialrecht, welches im Blickfeld des Dritten Teils steht. |
Diese
beiden Teile bieten eine auch für den im Rechtsbereich eher sich als Laien
einstufenden Leser eine klare und verständliche Darstellung – etwa eine
Mischung aus systematischer Darstellung als Entwicklung des Systems einerseits
und einem Nachschlagewerk für die einzelnen Bestimmungen.
Als
Grundlagenwerk macht es die wichtigsten Bestimmungen zugänglich, ist aber
freilich gleichzeitig dadurch eingeschränkt, dass es nie auf den neusten, sich
schnell ändernden Stand zu bringen ist – der Ausgleich besteht eben in der
systematisch erfolgenden Entwicklung des Grundkonzepts Europäischen Rechts,
insbesondere der Unterteilung in koordinierendes und harmonisierendes Recht.
Ein
vierter Teil, der sich mit einem Ausblick den Zukunftsperspektiven des Sozialrechts der EU widmet, ist etwas enttäuschend.
Zwar wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass ’Die Koordination der
Systeme sozialer Sicherheit (…) bis zum heutigen Tage das weitest
fortgeschrittene Resultat der Sozialpolitik der EU (ist). Deren Erfolg ist
bemerkenswert, weil deren Effektivität kaum in Erscheinung tritt.’ (227) Und
ebenso wird richtig festgestellt, dass die Regeln der Koordination sozialer
Sicherheit maßgeblich mit dem Problem der Vereinfachung umzugehen haben, ’auf
der politischen Ebene (…) die Bemühungen zu einer Vereinheitlichung jedoch
… zu einem Stillstand gekommen (sind).’ (ibid.) Doch die darauf aufgebaute
Perspektive ist jedoch sehr affirmativ, wenn festgestellt wird, dass ’jeder
faire Wettbewerb (…) nach einem Rechtsrahmen (verlangt), der
Wettbewerbsvorteile zu Lasten Dritter unterbindet.’ (247) In Konsequenz wird
gerechtfertigt, dass die EU nur das reproduziert, was angeblich mit ihr überwunden
werden soll, namentlich das Nationalstaatsprinzip (s. 256)
Trotz
der gemachten Einschränkungen – der politisch anfechtbaren Perspektivbildung
und der möglicherweise schnellen Überholtheit des Aktualitätsgrades – ist
das Buch sicherlich empfehlenswert für jene, die wenigstens einen grundsätzlichen
Überblick über die Bestimmungen des Europäischen Sozialrechts haben wollen
und auch für jene, die den Gesamtaufbau des Europäischen Rechtssystems kennen
lernen wollen.
©
Peter Herrmann
European Interests - newsletter provided by European Social, Organisational and Science Consultancy (ESOSC), Aghabullogue, Ireland. ISSN 1649-1955.
Issue 1-2002