RIMBAUD UND RAMBO
Letzten Samstag kehrten Baby You Know zurück ins Weltgeschehen / Von Franz Dobler
Das Stilleben des Rock'n'Roll: ein roter Plüschvorhang, davor eine kleine Bühne mit Schlagzeug und paar Gitarren und kleinen Verstärkern, in einem kleinen, etwas ramponierten Club.
Das Bild ist weder gut noch schlecht, weder alt noch neu, und es erzählt jedem eine andere Geschichte. Es ist voller Spannung, was wird jetzt passieren? Es wird noch da sein, wenn alle Pop-Messen und großen Geschäfte Erinnerung sind.
Es ist ein Traumbild voller Melancholie, besonders in den Minuten, in denen der Club noch leer ist - und besonders, wenn man weiß, dass der Club seine letzten Tage feiert und gleich eine Band kommt, die es schon lange nicht mehr gibt.
Baby You Know aus Niederbayern haben von 1990 bis 1997 sechs Platten auf Sub Up und Veracity Records veröffentlicht, die einen guten Platz im Americana/Folk-Rock haben. Sie hatten ein großes Gespür für den schönen Pop-Song, am Horizont Velvet Underground und Punk, folky beschaulich waren sie nie, auf eine gelassene Art schwermütig schon. Vom Start weg hatten sie spezielle Fans: während die Band für die Berlin Independent Days sozusagen die Go-Betweens hinter Robert Forster bildete, kam Townes Van Zandt zu Sänger Erhard Grundl in die Garderobe, um ihm zu sagen, wie sehr ihm das erste Album gefällt. Forster spielte auf der ersten und produzierte die zweite LP und bis heute arbeiten Baby-Mitglieder mit ihm zusammen. Aufgelöst haben sie sich am Ende einer von Michael Hurley organisierten US-Tournee. Geigerin Karin Bäumler, inzwischen mit Robert Forster in Australien verheiratet, hatte sich schon verabschiedet - irgendwie hatte es sich einfach ausgespielt, schließlich zählen die Jahre in einer Provinz-Gang doppelt. Auf der ersten "Erhard"-Single von Sänger Grundl waren '99 aber wieder alle dabei, Pepe Pöschl, Hari Beugler, Michael Schott (und Forster).
Die Band hatte einen Abschluss wie in einem Kaurismäki-Film. Sie betraten ihren eigenen Traum, einen Club in Memphis. Wenn das fünf Jahre her ist, dann muss man's eigentlich gut sein lassen. Aber der Münchner Club 2, seit über drei Jahren der beste Live-Club des Südens mit einem so abenteuerlichen wie großen Programm, wird Ende August dicht gemacht (ein Bericht dazu folgt), und das hat bei Baby You Know den Wunsch geweckt, dort auch mal gespielt haben zu müssen. Eine Weißt-du-noch-Party mit Wehmut für Fans und Familie, die wissen, dass der Song 'Rimbaud' nicht 'Rambo' heißt wie auf gut bayrisch, schien da unvermeidlich zu sein. Aber nichts da.
"Der erste Song ist für Edmund Stoiber", sagte Erhard, und dann brach ein chaotischer Lärm aus, als wären alle Kandidaten- und Guidomobile frontal ineinander gerast. Nicht weniger gewalttätig skelletierten sie dann ihre Musikgeschichte. Angetreten ohne akustische Gitarre, hämmerten sie alle oberflächlichen Folk-Verzierungen weg von ihren Songs und verschweißten die Reste mit ihrer Essenz von Rock'n'Roll. Überraschend eine der lautesten Bands, die der Club 2 gesehen hat, mit einem Sound aber so klar wie Stoibers Gebirgsbäche nie gewesen sind, dabei unangestrengt, stoisch, leicht gut gelaunt und sympathisch desinteressiert an möglichen Erwartungen. Auch einen Schritt in Richtung der großartigen, psychedelisch-ruhigen Platte, die Erhard mit seinen Freunden von Missouri letztes Jahr veröffentlicht hat, hätte man ja erwarten können, aber nichts da. Die langsamen Songs, die sie spielten, kamen nicht weich und zurück gelehnt, sondern wuchtig.
Was war da eigentlich los von Straubing bis Regensburg, fragt man sich da als Nicht-Familienmitglied. Baby You Know hatten anscheinend nicht fünf Jahre pausiert, sondern nur alle Erfahrungen wirken lassen und den besten Punkt zum neuen Zuschlagen abgewartet. Souveräner, intensiver können sie nie gewesen sein, und das schafft man weder im Proberaum noch wenn man sich von diesem oder jenem Rock'n'Roll-Comeback animiert fühlt. Der Charme einer bedenkenlosen Jungs-Band ist geblieben, sichtbar in Erhards rostrot glänzendem Anzug, zu dem am Abend vor Elvis? Todestag eigentlich nichts passte außer Bassist Pöschls T-Shirt "I am Elvis Presley", wie der von '54, so frisch waren sie.
Nichts zu verlieren haben, keine nette Erinnerungs-Party machen, alles riskieren, alles gewinnen. Schon beim Aufwärmen daheim hatten sie plötzlich wieder den alten Spaß gehabt und neue Songs. Da bahnt sich eine zweite Phase an, und dafür wird es in den Clubs von Belgrad bis Memphis immer ein Publikum geben.
Man muss sich ein paar Stunden die Musikkanäle ansehen und Berichte von der Popkomm, um einschätzen zu können, was so ein Club, so eine Band, so ein Abend für einen Wert haben. Es ist der Unterschied zwischen einer Flutkatastrophe und dem Regen, der zum Leben gebraucht wird.